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#22 Barbarossa

Mit Knut Görich:

Wir sind im hohen Mittelalter im Jahr 1152. Während der gesamten Regierungszeit des ersten staufischen Königs Konrad III. tobte ein Bürgerkrieg. Die mächtigste Familie im Reich, die Welfen, war bei der Königswahl übergangen worden. Stattdessen stellte eine schwäbische Aufsteigerfamilie, die Staufer, den König. Das war der Anlass für den jahrzehntelangen Kampf  um die Macht.  Bis Konrad III. starb, und nicht sein Sohn, sondern sein Neffe Friedrich Barbarossa zum König gewählt wurde. Der hatte einen entscheidenden Vorteil: Friedrich Barbarossa gehörte beiden Familien an. Sein Vater war Staufer und seine Mutter Welfin. Deshalb konnte er schlichten. Stammsitz seiner Familie waren Berg und Burg Hohenstaufen bei Göppingen.

Kreuzschnabel, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Friedrich Barbarossa war kein Königssohn. Er war der Neffe des amtierenden staufischen Königs. Als Konrad III. starb hatte er zwar einen Sohn, der war aber erst sieben Jahre alt. Im Rennen um die Gunst der Königswähler setzte sich der Neffe durch: Friedrich Barbarossa. Ein machtpolitischer Coup und für alle etwas überraschend. Zum ersten Mal wurde ein existierender Königssohn übergangen und es wurde jemand auf den Thron gewählt, der nicht zum König erzogen war.

©Andreas Hirsch

Mit Reliefs wie diesem, im Kreuzgang von St. Zeno in Reichenhall, wurden die Menschen an ihren König und Kaiser erinnert. Das war nötig, denn Barbarossa verbrachte die meiste Zeit seiner Regierung südlich der Alpen. Nach der Befriedung des Bürgerkrieges richtete Barbarossa sein Hauptaugenmerk auf Norditalien. Das war inzwischen die Boomregion in Europa. Die norditalienischen Kaufleute ersetzten den Tauschhandel durch die Geldwirtschaft und erfanden den Wechselscheck. So mussten die Fernhandelsreisenden nicht immer mit den Taschen voller Münzen über die Alpen.

Diese umwälzenden Neuerungen machte ihre Erfinder sehr schnell sehr reich. Natürlich wollten sie diesen Wohlstand mit niemandem teilen. Schon gar nicht mit einem neuen König.

Barbarossa beanspruchte die Oberhoheit im sogenannten „Reichsitalien“. Dazu gehörte, dass er der oberste Gerichtsherr auch in diesem Reichsteil war. Gleich bei seinem ersten Zug nach Norditalien kam es darüber zum Konflikt mit Mailand. Mailand war die größte und wohlhabendste Stadt des gesamten Reiches. Die reichen Mailänder Kaufleute zweifelten nicht an der königlichen Macht, sie wollten Barbarossa aber nicht als ihren Gerichtsherrn akzeptieren.

Den Widerstand Mailands hat Barbarossa als Anschlag auf die Ehre des Reiches und des Königs interpretiert. Um diese Ehrverletzung zu rächen, verbrachte er die meiste Zeit seines Lebens auf Feldzügen in Italien. Sechsmal versuchte er seine Gerichtshoheit auch gegenüber Mailand durchzusetzen. Doch obwohl er die Stadt mehrfach monatelang belagerte und zwischendurch abbrannte konnte er das Selbstbewusstsein der Mailänder nicht brechen. Den Spitznamen „Rotbart“, Barbarossa, hat er von ihren Spottliedern. Dieses Relief aus dem 12. Jahrhundert ist möglicherweise eine Karikatur des Kaisers. Nach dem Wiederaufbau Mailands prangte es am Stadttor.

Museo d’Arte Antica, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Kölner jedenfalls profitieren von dieser Mailand-Obsession Barbarossas. Sein Reichskanzler, der Erzbischof von Köln, Rainald von Dassel, besorgte sich die Reliquien der Heiligen Drei Könige aus der geschundenen Stadt und ließ sie nach Köln bringen.  Um diesen Reliquien einen würdigen Ort zu geben, wurde später der Kölner Dom gebaut.

Arminia, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Doch in den Mailänder Quellen der damaligen Zeit findet sich kein Hinweis auf die Reliquien der Heiligen Drei Könige in der Stadt. Hat sich Rainald von Dassel, der Erzbischof von Köln, den Fund nur ausgedacht, um Pilgerströme nach Köln zu locken? Sein Bildnis ziert die Stirnseite des Dreikönigsschreins im Kölner Dom.

Elya, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Über 20 Jahre lang hatte der reiche Welfe, Heinrich der Löwe, die Italienpolitik Barbarossas unterstützt. Im Gegenzug hielt Barbarossa dem Löwen bei seinem Machtausbau in Sachsen und Bayern den Rücken frei. Die Bevölkerungszahlen im Reich explodierten und Heinrich der Löwe unterstützte das Aufblühen der Städte. Natürlich nicht uneigennützig. Lübeck, Schwerin, Braunschweig, Hannover, Lüneburg, Stade, Hamburg und München trugen zu seinem Reichtum bei.

Die Allianz zwischen Heinrich dem Löwen und Barbarossa zerbrach aber fast über Nacht. Heinrich der Löwe wurde entmachtet. Barbarossa setzte ihn ab. Der Löwe war kein Herzog mehr. Weder in Sachsen noch in Bayern. Heinrich floh nach England und den Welfen blieb nur noch ihre Stammregion rund um Braunschweig. Der mächtigste Mann des Reiches wurde ins Exil geschickt. Die anderen Fürsten teilten seine Hinterlassenschaften unter sich auf.

Dazu wird eine Geschichte erzählt: Heinrich der Löwe soll völlig unerwartet bei einem existentiell wichtigen Feldzug in Italien dem Kaiser seine Unterstützung verweigert haben. Barbarossa war verzeifelt. Er fiel vor seinem reichen Cousin auf die Knie und flehte ihn an, weiter an seiner Seite zu kämpfen. Trotz des kaiserlichen Kniefalls habe sich Heinrich nicht erweichen lassen. Der Kniefall von Chiavenna ist berühmt geworden, weil dem Löwen die Erniedrigung des Kaisers nicht reichte. Nur wenn er ihm zusätzlich Goslar mit seinen Silberminen schenke, dann würde er ihn wieder unterstützen. Der Gipfel der Unverschämtheit. Diese filmreife Geschichte hat der Philipp von Foltz im 19. Jahrhundert gemalt:

Philipp von Foltz, Public domain, via Wikimedia Commons

Hat sich der Kniefall von Chiavenna tatsächlich so zugetragen? Sind die Reliquien der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom Betrug? Warum entwickelte Barbarossa so eine Mailand Obssesion?

Darüber spreche ich mit Prof. Dr. Knut Görich in Folge #22 meiner Podcastserie.

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