Mit Franziska Quaas: Es war die spektakulärste Gefangennahme des Mittelalters. Richard Löwenherz, König von England, Herrscher über halb Frankreich und berühmter Kreuzfahrer wollte sich inkognito an Wien vorbeischleichen. Als Händler verkleidet. Aber: Die Münzen, mit denen er seine Einkäufe bezahlte, erregten Aufsehen, schließlich verriet ihn sein königlicher Ring, der unter dem zerschlissenen Ärmel hervorlugte.
Beim Hühnchenessen in einer heruntergekommenen Kaschemme wurde er im Dezember 1192 festgenommen. Diese Verhaftung übernahm der Herzog Leopold von Österreich persönlich. Er soll den berühmten Gefangenen voller Schadenfreude ausgelacht haben.
Wir sind im Jahr 1192. Der betagte Kaiser Barbarossa war drei Jahre zuvor im Seniorenalter zum Kreuzzug aufgebrochen, um Palästina von den Muslimen zu befreien. Das war inzwischen der dritte Kreuzzug aus dem Westen. Doch auf dem Weg nach Palästina starb Barbarossa als er in einem Fluss in der heutigen Türkei badete. Der Tod des Kaisers demoralisierte die deutschen Kreuzfahrer nachhaltig. Die meisten von ihnen brachen den Heerzug sofort ab und fuhren per Schiff wieder nach Hause. Nur ein kleines restliches Heer machte sich auf den Weg nach Palästina. Im Gepäck das Fass mit Überresten Barbarossas in Essig eingelegt. Dann starb auf dem Weg nach Palästina auch noch Barbarossas Sohn Friedrich. Also übernahm Leopold von Österreich das Regiment der verzweifelten deutschen Kreuzfahrer. In Palästina angekommen, konnte das kleine gebeutelte Heer nichts ausrichten. Aber aus dem fernen Europa waren inzwischen auch der französische und der englische König aufgebrochen, um das Heilige Land zu befreien. Als Richard Löwenherz und der französische König im Frühjahr landeten, war die Eroberung der Hafenstadt Akkon nur eine Frage der Zeit. Kurz nach ihrer Ankunft eroberten sie die Stadt. Und als Zeichen des Triumphes wehten drei christliche Flaggen über Akkon. Die englische, die französische und die des Herzogtum Österreichs. Der englische König, Richard Löwenherz ärgerte sich über die österreichische Fahne so sehr, dass er sie in den Burggraben werfen ließ. Der Siegesruhm sollte allein England und Frankreich zufallen. Der österreichische Herzog war empört und zutiefst in seiner Ehre gekränkt. Und wenige Monate später, als Richard Löwenherz auf dem Weg zurück war, bot sich die Gelegenheit zur Revanche.
Der Herzog von Österreich und Kaiser Heinrich VI. machten gemeinsame Sache. Sie setzten den englischen König Richard Löwenherz zuerst auf der Burg Dürnstein im heutigen Niederösterreich fest. Schließlich übernahm der Kaiser die Gefangennahme auf der Burg Trifels im Pfälzer Wald. Er hielt den englischen König so lange fest, bis das Lösegeld bezahlt wurde.




Tatsächlich haben die Engländer und die Untertanen im heutigen Frankreich gezahlt. Und nicht nur das, Richard Löwenherz musste zusätzlich Heinrich VI. den Vasalleneid schwören. Als Vasall hatte er die Pflicht, sein Leben lang jedes Jahr weitere 2300 kilo Silber abzuliefern. Erst nach 14 Monaten kam Richard Löwenherz frei.

Auf dieser zeitgenössischen Miniatur sieht man Richard Löwenherz, der anlässlich seiner Freilassung Heinrich VI. die Füße küßt.
Wie Komplizen teilten Heinrich VI.und der Herzog von Österreich das Lösegeld. Der Herzog baute von seinem Teil der Beute die Wiener Neustadt und Kaiser Heinrich VI. konnte endlich seinen Sizilien-Feldzug finanzieren. Seine Frau hatte nämlich die Krone Siziliens geerbt. Bisher war es den beiden aber nicht gelungen, diesen Machtanspruch umzusetzen. Jetzt, mit all dem Geld konnten sie einen Heerzug finanzieren und Sizilien erobern.
Der deutsch-römische Kaiser herrschte also von der Nordsee bis Süditalien. Und der Papst fühlte sich mal wieder vom deutsch-römischen Territorium umzingelt.
In dem Podcast frage ich die Historikerin Dr. Franziska Quaas, warum Richard Löwenherz verkleidet durch Österreich wanderte, wieso ihn der Kaiser als Geisel nahm und wie sehr die Erpressung die englischen Staatsfinanzen ruinierte.


