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#26 Die Inquisition und das Ideal der Armut

Mit Gisela Muschiol und Schwester Jakoba Zöll: Die Armutsbewegung im Mittelalter war eine Gegenbewegung zu dem boomenden Fernhandel, den aufblühenden Städten und der neuen Geldwirtschaft. Die Einführung von Geld machte den Handel mit den Warenströmen viel effizienter. So wurden einige Wenige reich, der großen Teil der Bevölkerung blieb aber weiterhin bitterarm. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnete sich.

Auch das Gefälle zwischen den wachsenden Schätzen der Kirche und den mittellosen Gläubigen wurde immer steiler. Es gründete sich eine religiöse Gegenbewegung  „ von unten“. Ihre Vertreter forderten die Rückbesinnung auf das christliche Gebot der Armut.

In ganz Europa entstanden Reformbewegungen in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Ein reicher Bäcker aus Lyon hatte ein Erweckungserlebnis. Danach verließ er seine Familie und die Backstuben. Petrus Waldes verschrieb sich dem Leben in Armut, zog durchs Land und predigte das Evangelium nicht in Latein, sondern aus Französisch. Seine Anhänger wurden nach ihm „Waldenser“ genannt.

Eine andere große Strömung hat die Kirche sofort bekämpft: Die Katharer. Übersetzt: „Die Reinen“. Auch sie standen für Armut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit. Aber sie gründeten gleich eine Gegenkirche und erklärten, die „Großkirche“ sei vom Teufel besessen.

Die Kirche hat die Katharer nicht nur zu Ketzern erklärt, sie hat sie regelrecht verfolgt. Mit einem 20 jährigen Kreuzzug in Südfrankreich. Dort mischte sich der Glaubenskrieg der Kirche gegen die Katharer mit den Interessen des französischen Königs. Er wollte seinen Machtbereich in den Süden ausbauen und ging entschlossen gegen alle vor, die sich ihm in den Weg stellten. Allein bei einem Massaker im südfranzösischen Béziers wurden 20.000 Menschen umgebracht. Als ein Feldherr Skrupel bekam, weil er die Katharer nicht von Christen unterscheiden konnte, riet der mitreisende päpstliche Gesandte dazu, im Zweifel alle zu töten, denn „Gott wird die Seinen erkennen.“ Diese Miniatur aus der Großen Chronik Frankreichs zeigt die Vertreibung der Katharar aus Carcassonne.

Workshop of Master of Boucicaut, Public domain, via Wikimedia Commons

Wir springen jetzt von Südfrankreich nach Mittelitalien. In der Nähe von Perugia, in Assisi, wuchs ein junger Mann im Luxus auf. Francesco war ein Playboy in den Zwanzigern. Sein Vater handelte erfolgreich mit Tüchern und baute seinen Sohn als Nachfolger auf.

GunnarBach, Public domain, via Wikimedia Commons

Doch Francesco hatte im Jahr 1205 eine Gotteserscheinung und die veränderte sein Leben von einer Sekunde auf die andere. Er wandte sich von seiner Familie ab und lebte fortan in vollkommener Armut und Frömmigkeit. Mit einer Kutte bekleidet hauste er barfuß außerhalb der Stadtmauern von Assisi. Rasch folgten andere junge Männer seinem Vorbild und wollten an seiner Seite ein gottgefälliges Leben in Armut führen.

Aber anders als die Katharer ordneten sich die Franziskaner der Hierarchie der Kirche unter und baten in Rom um ihre offizielle Anerkennung. Schon im Jahr 1210 bestätigte der Papst probeweise den kleinen Orden und erlaubte der Gemeinschaft, nach ihren eigenen Regeln zu leben. Hier die älteste Abbildung von Franziskus auf einem Wandgemälde eines Klosters in der Nähe von Rom.

Parzi, Public domain, via Wikimedia Commons

Wie schnell die Christenheit in ganz Europa von dem neuen Armutsideal erfasst wurde, sieht man an der Geschichte der Elisabeth von Thüringen. Die ungarische Prinzessin hatte den Sohn des Landgrafen von Thüringen geheiratet, saß auf der Wartburg bei Eisenach und gehörte zur Spitze des deutschen Reichsadels. Es war die Zeit des Minnesangs. Ihr Schwiegervater hielt 1206 den berühmten Sängerkrieg auf der Wartburg ab.

A.Savin, FAL, via Wikimedia Commons

Aber seine Schwiegertochter Elisabeth benahm sich völlig anders, als die gesellschaftliche Rolle der zukünftigen Landgräfin vorgab.

Zuerst trug sie das Büßergewand nur unter ihren Kleidern, aber schon bald zeigte sie sich barfuß, in eine Wollkutte gekleidet, beim öffentlichen Kirchgang. Sie stiftete zusammen mit ihrem Mann ein Hospital in Gotha und gründete das Franziskanerkloster in Eisenach. Schnell war die Armenfürsorge ihre Hauptbeschäftigung. Zur Empörung ihrer Schwiegermutter legte sie sogar einen Leprakranken in ihr Ehebett.

Hans Holbein the Elder, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Elisabeth starb mit 24 Jahren in völliger Armut.  Ihre restliche Habe hatte sie vorher verschenkt. Und kurze Zeit später brach ein regelrechter Hype um die junge tote Frau aus. Sie wurde vier Jahre nach ihrem Tod,1235, heiliggesprochen. Für Ihre Gebeine wurde in Marburg die erste gotische Hallenkirche Deutschlands gebaut.

A.Savin, FAL, via Wikimedia Commons

Ihre Geschichte beeindruckte die Zeitgenossen nachhaltig. Die Armutsbewegung erfasste auch viele reiche Kaufleute, die an vielen Orten Hospitäler stifteten als Zufluchtsort für Alte, Kranke und Durchreisende. Das Heiligen Geist Hospital in Lübeck und das Hospital Großes Heiliges Kreuz in Goslar stammen aus dieser Zeit.

© Asio otus / Wikimedia Commons

A.Savin, FAL, via Wikimedia Commons

In der Podcastfolge #26 spreche ich mit Gisela Muschiol und Sr. Jakobe Zöll über die Armutsbewegung, die Inquisition und die Bettelorden.

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