Mit Martin Kaufhold: Rudolf von Habsburg hielt die Nachricht zuerst für einen Scherz. Er war ein Graf von regionaler Bedeutung. Seine Familie stammte aus der heutigen Nordschweiz und er belagerte gerade Basel, da erreichte ihn nachts im Feldlager die Botschaft: Die Kurfürsten wollten ihn zum König wählen. Nach einem Vierteljahrhundert ohne einen allseits akzeptierten Herrscher, einigten sich die Kurfürsten im Jahr 1273 auf diesen „armen Grafen“. Wahrscheinlich haben sie gedacht, mit ihm als König hätte niemand etwas zu befürchten. Doch da haben sie Rudolf gründlich unterschätzt.
Wenn man heute dem Familiennamen Habsburg begegnet, dann denkt man an Wien und österreich-ungarische Prachtentfaltung. Aber 1273 waren die Habsburger davon noch weit entfernt. Ihr Machtzentrum war die Habsburg in der Nordschweiz.

Von hier aus baute Rudolf seinen Einflussbereich in Richtung Norden also Oberrhein und Elsass aus, bevor er als Graf aus der zweiten Reihe zum König gekürt wurde. Die 23 Jahre des Interregnums, der herrscherlosen Zeit, waren vorüber.
Rudolfs politische Startbedingungen war denkbar schlecht. Er selbst hatte nur eine kleine Machtbasis und die Großen des Reiches verfolgten alle eigene Interessen. Trotzdem gelang es ihm durch kluge Konsenspolitik, fast alle Fürsten hinter sich zu vereinen.
In manchen Berichten wird er als volksnah und jovial beschrieben. Angeblich soll er mit einem Bierkrug in der Hand durch Erfurt geritten sein und für das Bier geworben haben. Es wird auch erzählt, dass er sich selbst über seine lange Nase lustig gemacht habe.
Er war nicht nur ein tatkräftiger Manager, er sorgte auch für einen intellektuellen Überbau seines Königreiches. Durch ein einfach zu verstehendes Bild hat er allen großen des Reiches erklärt, wo ihr jeweiliger Platz und was ihre Funktion in dem gemeinsamen Reich sind. Das Reich als Körper mit ihm – dem König – als Haupt und den Fürsten als Gliedern. Ein ganzheitlicher Ansatz.
Doch bei einem der Großen des Reiches verfing diese Metapher nicht. Der König von Böhmen, Ottokar II., war der reichste und mächtigste Fürst. Er betrachtete sich nicht als Glied, sondern als den eigentlichen Kopf des Reiches und verwehrte Rudolf die Gefolgschaft. Hier sein Bild aus dem Codex Gelnhausen:

Ottokar II. war König von Böhmen, Herzog von Österreich, Herzog der Steiermark, Herzog von Kärnten und Krain und verstand nicht, warum man ihm die Krone des Reiches vorenthalten und statt seiner Rudolf gewählt hatte. Er verweigerte die Gefolgschaft, in dem er nicht zum Hoftag erschien. Mit seiner Weigerung schweißte er Rudolf mit den anderen Kurfürsten nur enger zusammen. Es kam tatsächlich zum Krieg gegen den König von Böhmen, der vier Jahre dauerte. 1278 setzte sich Rudolf in der Schlacht von Dürnkrut durch. Danach nahm er dem König von Böhmen das Herzogtum Österreich und die Steiermark ab und setzte seine Söhne ein. Das war die eigentliche Initialzündung für den Aufstieg des Hauses Habsburg.
Aber mit seinem vermutlich größten Wunsch konnte sich Rudolf von Habsburg am Ende seines Lebens nicht durchsetzen. Die Kurfürsten weigerten sich, seinen Sohn zum nächsten König zu wählen.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entwickelte sich diese Weigerung der Kurfürsten, eine Dynastie zuzulassen, zum Muster. Es war die Zeit der sogenannten „springenden Königswahlen“ weil die Königswürde nie bei einer Familie blieb, sondern nach dem Tod eines Königs ständig hin- und her sprang. Innerhalb von 50 Jahren vier unterschiedliche und wenig mächtige Könige.
Rudolf war der erste von Ihnen. Er hatte das Reich wieder geeint und ritt an seinem Lebensende zum Sterben nach Speyer. Die Kaiser- und Königsgruft im Dom zu Speyer sah er als seinen standesgemäßen Beerdingungsort an. Seine Grabplatte mit einer wahrscheinlich lebensnahen Abbildung bewacht den Eingang zu den Gräbern der Salier.

In dieser Episode spreche ich mit Prof. Martin Kaufhold über Rudolfs zupackenden Carakter, den Aufstieg der Habsburger aus der zweiten Reihe und warum sich die Fürsten vor einem starken König fürchteten.


