Mit Martin Kaufhold: Am 7. September 1303 gegen 15.00 Uhr ruft der Papst um Hilfe. Er bangt um sein Leben. Ein militärisches Überfallkommando belagert und beschießt sein Sommerhaus in Anagni. Hier in seinem Heimatort 70 km süd-östlich von Rom verbringt Papst Bonifaz VIII. seinen Sommer. Bis im Morgengrauen des 7. September eine bewaffnete Truppe in die Stadt einfällt und seinen Sommerpalast angreift. Angeführt wird dieses Rollkommando vom Berater des französischen Königs und Vertretern einer mit dem Papst verfeindeten italienischen Familie.
Vergeblich fleht der Papst die Einwohner von Anagni an, ihm beizustehen. Sein Palast wird gestürmt. Die Angreifer verlangen seinen sofortigen Rücktritt. Doch der Papst schmetterte ihnen entgegen: „Ich verliere lieber den Kopf…Hier mein Hals, hier mein Haupt“. Daraufhin wird er schwer misshandelt. Drei Tage dauerte die Tortur, bis der alte Herr von den Bürgern der Stadt befreit wurde. Sie vertrieben das französische Überfallkommando und retteten ihren Papst. Doch die Wunden heilten nicht und Bonifaz starb vier Wochen später an den Folgen des Attentats.
Dieses Rollkommando war im Auftrag des französischen Königs unterwegs. Die Machtverhältnisse in Europa hatten sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts grundlegend geändert. Frankreich war zur führenden Macht in Europa aufgestiegen. . Die Kapetinger regierten seit über 300 Jahren in Frankreich. Philipp IV., genannt der Schöne, war der elfte König in der Abfolge der Dynastie. Und die Kontinuität zahlte sich offensichtlich aus.
Der Nachfolger von Bonifaz, Papst Clemens V., war ein Franzose und Freund des französischen Königs. Er entschied 1309 nicht mehr in Rom, sondern in Avignon zu residieren.

1308, fünf Jahre nach dem Attentat von Anagni waren gleich zwei Machtpositionen im Heiligen Römischen Reich vakant. Der König von Böhmen war ohne einen Nachfolger gestorben und der König des Heiligen Römischen Reiches Albrecht I. war von seinem Neffen ermordet worden. Also sowohl die Krone des wohlhabenden Böhmens als auch die des römisch-deutschen Königs waren zu vergeben. Und sie hingen natürlich miteinander zusammen. Nun war die Kür des deutschen Königs ja eigentlich Sache der deutschen Kurfürsten und trotzdem zog der französische König die Strippen.
Fast hätte Philipp der Schöne seinen Bruder, Karl von Valois, als König in Deutschland durchgesetzt. Dann betrat, sozusagen in letzter Minute, ein anderer Kandidat die Bühne: Heinrich von Luxemburg. Das kleine Luxemburg hatte in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches bisher noch keine Rolle gespielt.

Heinrich wurde am 6. Januar 1309 in Aachen zum deutschen König gekrönt und 18 Monate später belehnte er seinen Sohn mit dem Königreich Böhmen. Die kleine Hausmacht der Luxemburger lag ganz im Westen des Reiches, nun gewannen sie die Krone in der östlichsten Region des Reiches hinzu. Ein enormer Machtzuwachs, denn Böhmens Silberminen sprudelten reichlich und das Königreich Böhmen war kein Wahlkönigtum sondern wurde vererbt. Es blieb also absehbar in der Familie der Luxemburger. Allerdings konnte sich Heinrich VII. nicht lange über seinen kometenhaften Aufstieg freuen.
Eine tödliche Erkrankung, die er sich bei der Belagerung von Siena zugezogen hatte, beendete all seine Pläne und Hoffnungen. Ein gutes Jahr nach der Kaiserkrönung wurde Kaiser Heinrich VII. 1313 in Pisa beigesetzt. Er wurde 34 Jahre alt. Die oben abgebildete Statue zeigt Heinrich und stand ursprünglich vor seinem Grabmal im Dom von Pisa.
Ich spreche mit Prof. Martin Kaufhold über die Veränderung der Machtverhältnisse in Europa und ihre Auswirkungen auf die deutsche Politik. Wir gehen der Frage nach, ob Aufstieg der frankophilen Luxemburger Grafen zu römisch-deutschen Königen und Kaisern ohne den Einfluss des französischen Königs möglich gewesen wäre.


